Ein belarussischer Aktivist in Kiew wehrt sich vor Gericht erfolgreich gegen seine Auslieferung
Von Ute Weinmann, July 23, 2021
Urteilt ein ukrainisches Gericht entgegen Vorgaben des Staatsschutzes, ist das eine kleine Sensation. Am Mittwoch schlugen sich Kiewer Richter in Berufungsinstanz auf die Seite des belarussischen Antifaschisten Aliaksei Baliankou. In erster Instanz hatte sich der Sicherheitsdienst SBU durchgesetzt, der den mit einem festen Aufenthaltstitel in der Ukraine lebenden Aktivisten zu einer Bedrohung für die nationale Sicherheit erklärt hatte. Es war zu erwarten, dass Baliankou auch in zweiter Instanz unterliegt und er das Land verlassen muss. Aber: »Die Zivilgesellschaft hat einfach doch ein gewisses Gewicht«, sagte er nach dem Urteil dem »nd« mit Erleichterung in der Stimme. Anders formuliert: Solidarität zahlt sich aus.
Ein erster Abschiebeversuch fand bereits im Frühjahr statt. Am Morgen des 22. April durchsuchten Sicherheitsbehörden die Wohnung von Baliankou und parallel dazu die von Artur Kandratowitsch, einem weiteren Antifaschisten aus Belarus. Im Fall von Kandratowitsch, der in der Ukraine ein Asylverfahren durchläuft, blieb es bei verbalen Drohankündigungen. Doch Baliankou wollten die SBU-Angehörigen mitnehmen und an die Grenze nach Belarus fahren. Ihre Vorgesetzten hätten das entschieden, er könne von dort ja wieder zurück nach Kiew, lautete die fadenscheinige Erklärung. Ihre Dienstausweise zeigten die Beamten erst am Abend nach Eintreffen eines Anwalts und weiterer Unterstützer. Da war längst klar: Vor den Augen der Öffentlichkeit kommt eine stille Autofahrt als Option nicht mehr in Frage.
2014 zog es Baliankou nach Kiew auf den Maidan. Monatelange Demonstrationen vor allem auf dem Majdan Nesaleschnosti (»Platz der Unabhängigkeit«) gegen die Regierung gipfelten im Februar in der Niederschlagung der Proteste und rund 80 Toten. Der amtierende Präsident wurde schließlich abgesetzt. Baliankou blieb in Kiew, jobbte mal hier, mal da, beobachtete die erstarkende Neonaziszene, beteiligte sich an Kundgebungen gegen Polizeiwillkür, demonstrierte vor der türkischen Botschaft seine Unterstützung für die Kurden, verkaufte anarchistische Literatur. All diese politischen Aktivitäten dienten dem SBU als Begründung, um Baliankou außer Landes zu schaffen.